Deutsch-französische Gruppe fährt 1.500 Kilometer vom Atlantik nach Bayern

Seit dem Jahr 2006 gibt es eine Gemeindepartnerschaft zwischen Mammendorf und der französischen Kommune Brem sur Mer am Atlantik. Beidseitig sind schon eine Reihe von Aktionen gelaufen, um die Partnerschaft mit Leben zu erfüllen. Anfang bis Mitte September 2019
gab es nun mit der „Tour de l’amitié – der Freundschaftsfahrt“ eine ganz besondere Aktion, über die der nachfolgende Reisebericht entstanden ist.

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Prolog – Finale dahoam

Jedes Radrennen über mehrere Etappen hat einen Prolog. Das war bei uns nicht anders, allerdings muss man dafür 10 Jahre zurückgehen ins Jahr 2009. Da machten sich auf Initiative von Erwin Wieser rund 15 Radler aus Mammendorf und Umgebung auf die knapp zweiwöchige Fahrt nach Frankreich. Den Streckenplan entwarf schon damals unser Radexperte und ADFC-Tourenführer Adi Stumper und Eva Müller organisierte die Unterkünfte. 10 Jahre später entstand die Idee die Tour zu vollenden und von Brem nach Mammendorf zurück zu radeln. Knapp die Hälfte der damaligen Teilnehmer hatte Zeit und Lust diesen Marathon noch einmal zu machen, ein paar neue Mitfahrer waren schnell gefunden und diesmal beteiligten sich auch drei Franzosen aus Brem an der rund 1.500 Kilometer langen Tour. Insgesamt 13 Radler, intern als die „Wilde 13“ bezeichnet, starteten am 1. September 2019 in Brem um 14 Tage bei Sonne, Regen und Wind kräftig in die Pedale zu treten, um am 14. September in Mammendorf anzukommen.

Vom Atlantik an die Loire

Die Attraktion in Nantes, ein künstlicher ElefantWährend die Räder und das Gepäck mit einem Sprinter ans Ziel gebracht wurde, bestiegen wir 10 Radler einen kleinen Flieger, in München, wo es seit einigen Jahren Direktflüge nach Nantes gibt, das nur 90 Kilometer von Brem entfernt liegt. Dank früher Ankunft hatten wir Zeit für eine Stadtführung in der mit rund 500.000 Einwohnern sechstgrößten Stadt Frankreichs. Eine interessante und sehenswerte Stadt, in der wir in einem originell ausgestatteten Jugendstil-Café, das Frühstück nachholten, das im Flieger etwas zu kurz gekommen war. Neben dem Dom und der Altstadt ist die eigentliche „Sensation“ ein künstlicher Elefant, der auf einem großen Gelände seine Runden dreht und Zuschauer auf seinem Rücken mitbefördert. Mit dem Rüssel kann er zur Freude kreischender Kinder, die vor ihm herlaufen, Wasser verspritzen und Abkühlung verschaffen, denn es ist ungewöhnlich heiß in Nantes. Den restlichen Freitag und den Samstag verbringen wir dann in Brem mit einem kleinen Ausflug nach St. Gilles auf den Wochenmarkt und einem Bad im sehr stürmischen Atlantik. Die starke Unterströmung zieht mir mehrfach die Füße weg, was mich animiert den restlichen Nachmittag mit Sonnenbaden zu verbringen. Und wir werden gut versorgt, mit wirklich köstlich zubereiteten Muscheln und Pommes, wobei anscheinend eine Starke Brandung am Atlantikgroße Menge Muscheln besorgt wurde, denn die gibt’s nächsten Mittag gratiniert und am Abend kalt. Schnell ist Sonntag der 1. September da und wir werden in aller Früh standesgemäß mit Kaffee und Brioche verabschiedet. Neben Bürgermeister Christian Praud, der uns motivierende Worte und ein Brem sur Mer T-Shirt mit auf den Weg gibt, sind auch viele Einwohner gekommen und säumen bei unserer Extra-Schleife durch Brem die Straßen, auch ein paar wenige Mammendorfer sind darunter. Dann geht’s los, zunächst durch die Vendée, wie das Departement heißt, in dem unsere Partnergemeinde liegt. Aus Brem begleiten uns drei Rennradler, für mich werden daraus schnell die „drei Musketiere“ die natürlich nicht Athos, Porthos und Aramis heißen, sondern Dominique, Gilles und Joel. Alle drei sind sehr gut mit dem Rennrad vertraut, wie ich in den folgenden zwei Wochen kennen lernen durfte. Dominique fährt als Vordermann einen „heißen Reifen“, Joel tritt am Berg eine irre Frequenz und lässt den Rest der Gruppe einfach stehen und Gilles fährt jedes Tempo mit. Die Rennradtruppe wird von Heiko und mir ergänzt, wir zwei waren vor 10 Jahren auch schon dabei. Die zweite Gruppe ist gemischt unterwegs mit vier E-Bikes und vier Tourenrädern, mit Eva und Christine haben wir zwei Frauen mit an Bord und Emil und Heiner sind mit 76 bzw. 75 Jahren unsere Ältesten. Hut ab, ob ich in dem Alter, selbst mit einem E-Bike noch mitfahren könnte? Wer weiß. Die Streckenplanung für den ersten Tag haben unsere ortskundigen Franzosen übernommen, die auch alle Unterkünfte in Frankreich besorgt haben und da sind einige Schmankerl dabei. Die Vendée zeigt sich bei schönstem Radwetter Romantisch gelegene Mühle in der Vendéezunächst von ihrer angenehm flachen Seite. Bei Kilometer hundert geht’s dann aber doch noch auf 250 Meter Meereshöhe hoch, hier liegt sozusagen die „Schweiz“ der Vendée und nach gut 125 Kilometern endet der erste Tag in einer aufgelassenen Mühle, die als Unterkunft angemietet werden kann; sehr einsam, aber auch sehr romantisch. Elf Personen auf zwei Stockwerken, ein Bad ein WC, das erfordert eine gewisse Koordination und Schnelligkeit, damit am Abend alle Duschen können und am Morgen wenigstens für ein paar Minuten einen Spiegel und ein Waschbecken für sich haben. Und es gibt eine Überraschung: Mado und Pascale, zwei der Ehefrauen unserer französischen Rennradler sind mit dem Auto gekommen und haben Verpflegung für einen schönen Grillabend und das Frühstück mitgebracht, denn die ehemalige Mühle ist nicht bewirtschaftet.


Der zweite Tag startet sehr sonnig aber mit Temperaturen im einstelligen Bereich. Es geht bergauf, da wird allen schnell warm. Ab hier hat unser Radexperte Adi die Streckenplanung übernommen. In den letzten 10 Jahren haben sich dank Internet und GPS die Möglichkeiten bei der Planung Nebenstraßen und Nebenstraßen von Nebenstraßen zu verwenden, um dem Autoverkehr aus dem Weg zu gehen, stark verbessert. Das kriegen wir auf den ersten Kilometern zu spüren, wo man den Weg nur mit viel Phantasie erahnen kann. Für die Rennräder ein übles Terrain was schnell zu mehreren Reifenpannen führt, das ganze fühlt sich an wie die Vorstufe einer Alpenüberquerung. Auf dem Höhenprofil hatte der zweite Tag eher einfach ausgesehen, mehr bergab als bergauf. Das sollte täuschen, es gibt viele sehr giftige Anstiege, die sich in den Beinen bemerkbar machen. Kurz vor dem Ziel ist dann auch noch die geplante Route vom Militär gesperrt. Kommando zurück und 25 Kilometer Umweg mit drei weiteren langen Steigungen. Joel und Gilles sehen mir an, dass ich kurz vor der Energiekrise bin. Schnell ziehen sie ein paar getrocknete Feigen aus der Tasche, die bergab gekaut meinen Energielevel schnell wieder nach oben bringen. Am späten Nachmittag erreichen wir mit Fontevraud l’Abbaye den ersten Ort an der Loire und hier wohnen die Eltern von Joel gleich in der Nähe. Als Überraschung ist dort ein Empfang mit Kuchen und Sekt für uns vorbereitet, ein Schild in dem auf Deutsch „Herzlich willkommen“ steht weist uns den Weg. Es wird schon dunkel als wir nach gut 125 Kilometern unser Ziel, eine Jugendherberge, erreichen. Die Franzosen haben ein Lokal reserviert, in dem wir ein tolles Menü serviert erhalten und am nächsten Morgen das petit-déjeuner.

Schlösser an der Loire – eine naturnahe Erfahrung

Schlösser in Verbindung mit Loire, das haben viele schon gehört. Dass die Loire aber der letzte unregulierte Fluss Mitteleuropas ist, dürfte weniger bekannt sein. Dabei macht gerade dieser Umstand den Herrliche Flusslandschaft an der Loiregroßen Reiz dieser Landschaft aus. Hier darf ein Fluss noch ungehindert in seinem kilometerbreiten Bett hin und her mäandern, mal dort eine Sandbank aufwerfen, mal an anderer Stelle sein Flussbett verlagern und große Inseln bilden. Die ganze Flusslandschaft ist üppig begrünt, Kormorane und große Reiher ziehen auf der Suche nach Beute ihre Kreise. Am Morgen glitzert das Flussbett in der Sonne, selbst wir Rennradler wollen diese Atmosphäre genießen und rollen gemütlich mit den Tourenfahrern am Fluss entlang. Der Loire-Radweg macht die Orientierung leicht und führt uns zwangsläufig an einer Reihe von prächtigen Schlössern Schraube lockervorbei. Sie befinden sich überwiegend auf der Südseite des Flusses, da im „Hundertjährigen Krieg“ gegen England die Loire längere Zeit Frankreichs Staatsgrenze bildete. Aber nicht nur Schlösser säumen den Weg, an der Loire liegen auch einige der schönsten und wichtigsten Städte Frankreichs. Als erstes wartet Tour mit seiner eindrucksvollen Basilika, die dem Hl. Martin geweiht ist. Nächste Station ist Amboise, wo die holprigen Straßen vom Vormittag ihren Tribut fordern. Bei Heiko ist „eine Schraube locker“, wodurch sich sein linkes Pedal verselbständigt und plötzlich am Boden liegt. Von der zugehörigen Schraube leider keine Spur. Glück im Unglück, wir sind mitten in einer größeren Stadt und das nächste Fahrradgeschäft ist nicht weit, bald sitzt das Pedal wieder fest am Tretlager. In der schönen Altstadt gibt’s erst mal ein Eis bevor wir uns auf die restlichen 45 Kilometer machen. Die drei Musketiere geben nun wieder Gas aber Heiko und ich schwimmen im Windschatten mit, während Weinberge an uns vorbeirauschen. Bald taucht Blois mit seinem erhabenen Stadtbild vor uns auf. Das mächtige Schloss war einige Zeit der Sitz französischer Könige, die von hier aus Frankreich regierten. Die fünf Bier, die wir nach unserer Ankunft serviert bekommen, sehen aber auch sehr gut aus und löschen den ersten Durst. Isotonischer Durstlöscher
Auch der nächste Tag führt uns entlang der urwüchsigen Flusslandschaft an der Loire, wo man auf Schritt und Tritt einer Person begegnet, Jeanne de Arc, genannt die „Jungfrau von Orleans“ und Nationalheilige in Frankreich. Eines der vielen Schlösser an der LoireZum besseren Verständnis warum ihr hier überall Denkmäler erbaut wurden, ein kleiner Ausflug ins 15. Jahrhundert. England erhob Anspruch auf den französischen Thron und besetzte den gesamten Norden bis zur Loire. Die englischen „Langbogenschützen“ fügten dem französischen Heer eine Niederlage nach der anderen zu, der zaudernde Thronfolger war weit weg vom Kampfgeschehen, die Nation führerlos. In dieser ausweglosen Lage taucht ein einfaches Bauernmädchen auf, dem es gelingt, bis zum Thronfolger vorzudringen und von ihren Ideen zu begeistern. In kurzer Zeit richtet sie die demoralisierte Truppe auf und führt sie in Orleans zu einem völlig unerwarteten Sieg gegen die Die Kathedrale von OrleansEngländer. Anschließend geleitet sie Karl VII. durch die feindlichen Linien zur Krönung als König von Frankreich nach Reims, gerät aber bald danach in englische Gefangenschaft. Sie wird als Hexe verurteilt und in Rouen im Alter von 19 Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Mit Jeanne de Arc kam der Wendepunkt im Krieg gegen die Engländer, die in der Folgezeit nach und nach aus dem Land gedrängt wurden. Sie wird ein Mysterium bleiben und heute kommen wir ins Zentrum ihrer Verehrung, nach Orleans, wo sie auf einem riesigen Platz als Reiterstandbild thront. Auch die Kathedrale ist wirklich sehr sehenswert wir haben aber auch verdammtes Glück mit dem Wetter.

Quer durch Frankreich wo es kaum jemand kennt

Zwei am Weg im Herzen FrankreichsTag fünf und sechs sind schnell erzählt, wir verabschieden uns von der Loire und fahren durch einen Teil Frankreichs der von Landwirtschaft und ausgedehnten Wäldern geprägt ist. Zum Start nach einer Übernachtung auf dem Bauernhof gibt’s einen kleinen kulturellen Höhepunkt, wir besichtigen eine romanische Kirche aus dem frühen 9. Jahrhundert, die der Pfalzkapelle von Kaiser Karl dem Großen in Aachen nachempfunden ist. Da es kaum größere Ortschaften gibt, hat Volker, unser Fahrer des Begleitfahrzeugs, bei Kilometer 50 eine tolle Verpflegungsstation mit Käse, Salami, Schinken, und Baguette aufgebaut. Neben Wasser gibt’s auch Rotwein aus Chinon (ob das schon unter Doping fällt) und Apfelkuchen. So gestärkt geht’s weiter und diesmal ist bei mir eine Schraube locker, am vorderen Kettenumwerfer. Schnell haben unsere Profis das Schaltseil wieder befestigt und es geht zum Ende einige Passender WeinHöhenmeter hinauf was final in einer gut fünf Kilometer langen Abfahrt endet. Da sind schnell 60 km/h und mehr erreicht, was Adrenalin frei- und in einen fast rauschhaften Zustand versetzt. Überlegen, was da passieren könnte, sollte man besser nicht aber Bremsbereitschaft, wenn es  im Herzen Frankreichs unübersichtlich wird, gehört auch dazu. Am Tag darauf wird es etwas hügeliger und erinnert landschaftlich ein wenig an Franken. Nachmittags erreichen wir das Quellgebiet der Seine, die man hier in mehrere Staubecken gezwängt hat. Das dient dem Hochwasserschutz für die Hauptstadt Paris und Strom wird auch noch erzeugt. Nach rund 115 Kilometern erreichen wir unser Tagesziel Piney und logieren diesmal in einem Hotel, das auch ein sehr gutes Restaurant beherbergt. Es gibt ein sehr leckeres 3-Gänge-Menü und mit Hilfe unserer Franzosen suchen wir uns dazu eine schöne Flasche Wein aus.

Am Tag als der Regen kam

RadlwäscheBisher hatten wir bestes Radwetter nun sollen wir uns laut Wettervorhersage auf Regen gefasst machen. Zunächst beginnt Tag 7 mit unwegsamen Waldwegen, auf denen wir nur weiterkommen indem ein gegen Wildschweine montierter Elektrozaun ausgehängt wird. Der Weg soll nur 700 Meter lang sein und eine Abkürzung, stellt sich dann als 7 Kilometer lang heraus und definitiv als Umweg. Dann wird der Straßenbelag für uns Rennradler besser und die Geschwindigkeiten erreichen auf leicht fallendem Gelände schnell 40 km/h und mehr. Diesmal spielt Heiko die Lokomotive und der Rest hängt sich hinten dran. Die Wolken werden immer bedrohlicher und gegen Mittag fängt es ziemlich stark zu regnen an. Wir stellen uns erst mal unter und nach einer halben Stunde lässt der Regen nach, wir haben uns mittlerweile wetterfest gekleidet. Die Regenpause ist leider nur von kurzer Dauer schon bald prasselt es intensiv auf uns herab. Da es wochenlang nicht mehr geregnet hat, ist jede Menge Schmutz auf den Straßen den wir fleißig aufsammeln. Rad und Fahrer sind von oben bis unten dreckverspritzt. Am Nachmittag hört es dann auf, dafür warten heute auf dem Weg zum Ziel noch 300 Höhenmeter, die aber bald geschafft sind. Bevor wir das Hotel betreten machen wir erst eine Grundreinigung, dann ab in die warme Dusche und Klamotten waschen, unser Zimmer sieht aus wie ein Wasch- und Trockenkeller.

Am nächsten Morgen ist alles wieder trocken, der Blick aus dem Hotelzimmer verheißt mit tiefhängenden Wolken nichts Gutes. Das Gefühl täuscht nicht, pünktlich zum Start Bei Pannen ist Teamwork gefragtsetzt Nieselregen ein der schnell in Dauerregen übergeht. Dann auch noch zwei Reifenpannen in der ersten halben Stunde, schön ist anders. Grundsätzlich ist es nicht schlimm bei Regen zu fahren, wenn man die passende, also regendichte Kleidung hat. Unser Problem: Die Route führt auch heute wieder zum Teil über Kanalwege, die häufig einen Sand- oder Kiesbelag aufweisen der bei Regen schnell aufweicht und schlammig wird. An solch dreckige Räder kann ich mich nur bei Querfeldeinrennen erinnern, die früher mal eine beliebte Winter-Sportart für Rennradprofis waren. Ich komme mir vor wie beim Frühjahrsklassiker der Radprofis von Paris nach Roubaix, dass die verdreckten Schaltungen noch immer funktionieren ist fast ein Wunder. Der Lichtblick des Tages ist Volker, der unter einer  Brücke ein Buffet aufgebaut hat und der Regen macht auch eine Pause. Am Nachmittag holt er uns in Gestalt eines Hagelschauers wieder ein, bevor es zum Hotel, das oberhalb von Nancy liegt, noch 5 Kilometer bergauf geht. Oben wartet erneut Volker und er hat noch Bier in seinem Bus, schnell ist alles wieder gut. Ich übernachte mit Dominique, der bei Ankunft für die „Bremoise“ (so heißen die Bewohner von Brem) immer einen Tagesbericht schreibt, der auch auf der Homepage vom „freundeskreis brem sur mer“ noch nachgelesen werden kann. Die maschinelle Übersetzung ins Deutsche liefert echt passable Ergebnisse und seine Fotos und Filmchen sind sehr sehenswert. Auch sonst ist er auf zack, wenn ich am Morgen noch etwas unschlüssig im Schlafanzug dastehe ist er schon fertig und schließt seinen Koffer, der so aufgeräumt aussieht wie am ersten Tag. Mein Koffer dagegen erinnert mittlerweile eher an das „Bermuda-Dreieck“ in dem ich oft nicht finde nach was ich suche.

1.000 Kilometer sind geschafft und Straßburg wartet

Am Morgen des 9. Tages besichtigen wir Nancy, als erstes geht’s die 5 Kilometer wieder runter, Adi hat dafür zum Teil abenteuerliche Wege durch Parks ausfindig gemacht. Das Wetter meint es wieder gut mit uns, die sehenswerte Altstadt von Nancy erwartet uns mit strahlendBeim Stanislausplatz wurde nicht mit Gold gespart
blauem Himmel. Besonders beeindruckend ist neben der Kathedrale der Stanislausplatz. Für kurze Zeit gehörte dieser Teil Frankreichs einmal zu Polen, dessen König Stanislaus diesen Platz erbauen ließ, in dessen Mitte sein Denkmal steht. Wir durchqueren nun Lothringen, dessen deutsche Vergangenheit bereits bei vielen Ortsnamen sichtbar wird, die trotz französischem Anstrich ihren deutschen Ursprung verraten. Ganz überwiegend folgen wir heute dem Marne – Rheinkanal was uns eine Flachetappe beschert, die mit gut 130 Kilometern aber ziemlich lang ist. Kurz vor dem Ziel können wir noch ein Schiffshebewerk bestaunen, mit dem 15 Schleusen ersetzt werden konnten. Heute übernachten wir in einer Jugendherberge in Saverne, die im 5. Stock eines ehemaligen Schlosses liegt. Fahrstuhl natürlich Fehlanzeige, also Koffer und Taschen 5 Stockwerke hochschleppen, da ist das Bier am großen Stadtplatz redlich verdient. Unsere zweite Truppe hat Verspätung, da es mehrere Pannen gab, die Räder kommen langsam an ihre Grenzen. Abendessen ist auf 20:00 Uhr festgelegt, die Spätankommer wollen aber auch noch ein Bier. Also geht’s ungeduscht in die Gaststätte, wo man schon auf uns wartet, mit deftiger Kost und einem herrlich trockenen Weißwein, da kann die Dusche warten. Gemeinsam bringen wir die restlichen Koffer in den 5. Stock und danach schlafen alle aber sowas von tief und fest.

Am nächsten Tag nehmen wir Kurs auf Straßburg und damit auch Abschied von Frankreich, dessen schöne Landschaften uns über 1.000 Kilometer begleitet haben. Da wir Europaparlament in Straßburgum 11:00 Uhr einen Besichtigungstermin im Europarlament haben und danach noch ein wenig Straßburg besichtigen wollen, ist die heutige Etappe mit rund 75 Kilometern relativ kurz. Das Parlamentsgebäude und der Plenarsaal in dem die Abgeordneten aus 28 europäischen Ländern, im Wechsel Gruppe im europäischen Parlamentmit Brüssel tagen, ist sehr beeindruckend. Interessant ist auch die Erläuterung, wie es eine Heerschar von Dolmetschern schafft, dass jeder Abgeordnete im Parlament in seiner Landessprache reden kann und das Gesagte sofort simultan in alle anderen
Sprachen übertragen wird. Wir machen noch ein paar Gruppenfotos und schauen uns dann gemeinsam bei schönstem Wetter die wirklich sehr sehenswerte Altstadt an. Straßburg das über die Jahrhunderte häufig die Staatszugehörigkeit wechselte, steht wie keine zweite Stadt für den Altstadt von Straßburgdeutsch – französischen und europäischen Versöhnungswillen. Mittags finden wir ein uriges Lokal wo schnell ein Tisch für alle zusammengeschoben wird und wir von einer netten Bedienung, die ein bezauberndes Deutsch mit französischem Akzent spricht, umsorgt werden. Am Nachmittag überqueren wir den Rhein und Deutschland hat uns wieder.

Über den Rhein nach Deutschland zurückÜber den Schwarzwald zur jungen Donau

Am 11. Tag wartet die „Königsetappe“ auf uns, denn auf einer Streckenlänge von gut 100 Kilometern geht’s aus den Niederungen der Rheinebene auf die Höhen des Schwarzwaldes und dabei sind laut Plan fast 1.500 Höhenmeter zu überwinden. Die ersten 50 Kilometer gestalten
sich noch recht einfach, wir folgen dem Lauf der Kinzig, da geht’s nur moderat bergauf. Dann taucht ein Verkehrsschild auf mit der Zahl 19 und einem %-Zeichen dahinter auf, das verheißt nichts Gutes. Schnell stellt sich heraus, dass die drei Musketiere und Heiko bergaufHeiko der beste Kletterer in einer höheren Liga fahren als ich und meinen Blicken schnell entschwinden. Die nächsten 20 Kilometer entwickeln sich zu einer schweißtreibenden Schinderei und bei den steilsten Stücken hilft nur absteigen und schieben. Zweimal verliere ich die Orientierung aber örtliche Schwammelsucher und Wanderer bringen mich schnell zurück auf die richtige Route. Am frühen Nachmittag erreiche ich mit den E-Bike Fahrern unser Zwischenziel in Buchenberg wo Volker alle Zutaten für eine Hier geht der jungen Donau das Wasser auskräftige Brotzeit aufgebaut hat. Heiko hat als einziger Rennradler alle Steigungen ohne Schieben geschafft und erhält dafür ala Tour de France eine Kappe mit roten Punkten als Zeichen für den besten Bergfahrer. Der Rest des Tages gestaltet sich entspannt, es geht 30 Kilometer abwärts entlang dem Brigachtalweg nach Donaueschingen. Uns erwartet diesmal ein fast nobles Hotel und im Bräustüble der Fürstenbergbrauerei ein deftiges Essen. Alle Radler haben die schwerste Etappe gut gemeistert und am Abend ist viel Zuversicht spürbar was die Bewältigung der restlichen Tour betrifft. In Donaueschingen entsteht aus dem Zusammenfluss von Brigach und Breg die Donau, da gehört es zum Pflichtprogramm, dass wir die Donauquelle in Augenschein nehmen. Bereits 15 Kilometer weiter ereilt die junge Donau ein jähes Ende, benannt ist das Phänomen als „Donauversickerung“. Ursache ist der karstige Boden, der das Wasser kilometerweit unterirdisch bis zum „Aachtopf“ nach Hegau leitet, wo es wieder zu Tage tritt. So können Schwäbische Alb und Donau treffen aufeinanderwir das Flussbett der Donau trockenen Fußes durchqueren. Damit die nächstgelegenen Orte im Sommer nicht an einer wasserlosen Donau darben müssen wurde gerichtlich festgelegt, dass ein Teil des Donauwassers vor der Versickerungsstelle über einen Kanal nach Tuttlingen geleitet werden darf, damit ab dort die Donau ganzjährig fließt. Danach beginnt einer der schönsten Radwanderwege Deutschlands. Die junge Donau hat sich einen Durchbruch durch die schwäbische Alb geschaffen. Links und rechts blinken uns die weißen Kalksteinfelsen entgegen auf deren Spitzen oft Burgen oder Kirchen thronen. In Richtung Sigmaringen wird das Tal immer enger und die Felsen rücken nah an den Radweg heran. Dann taucht unser Etappenziel Sigmaringen mit seiner gewaltigen Hohenzollernburg auf, ein imposanter Anblick. Zur Unterkunft in der Jugendherberge geht’s erst einmal steil bergauf, da will am Abend keiner mehr hinunter in die Stadt. Wir organisieren Pizza, Rotwein und Bier und lassen damit einen sehr schönen Tag ausklingen.

Hinter den sieben Bergen wartet das Ziel

Am vorletzten Tag verlassen wir Sigmaringen bei blauem Himmel und Sonnenschein und rollen rund 35 Kilometer auf dem Donauradweg entspannt dahin. Bei radeltauglichen Hohenzollernburg in SigmaringenTemperaturen von 20 bis 25 Grad erreichen wir bald Riedingen das uns mit seiner sehr schönen Altstadt mit wunderbar renovierten Fachwerkhäusern überrascht, ein echter Hingucker. Die Strecke zum Zielort Krumbach führt uns am Nachmittag über Laupheim weiter nach Illertissen und ist von dem für das Allgäu typischen Gelände geprägt, ein Buckel nach dem andern steht uns im Weg. Bei uns Rennradlern geht’s heute wieder flott zur Sache, die Musketiere drücken aufs Tempo, da heißt es für mich, am Hinterrad vom Vordermann dranbleiben und am Berg die letzten Reserven aktivieren. Am Ende der gut 120 Tageskilometer wartet eine längere Abfahrt auf uns, die dafür sorgt, dass alle frohgelaunt ankommen, was durch eine Runde Weißbier noch verstärkt wird. Alle Radler sind gut über die ersten 13 Runden gekommen, da werden wir doch auch die restlichen 75 Kilometer morgen noch packen. Letzter Tag, wir blasen zum Halali und machen uns auf den Weg zur finalen Etappe. Die ist kurz, aber sehr heftig, denn auf den ersten 30 Kilometern reihen sich sieben Anstiege hintereinander. Die vielen Kilometer der bisherigen Tour und die kurzen Nächte, die meist um 6:00 Uhr früh durch Finale dahoam – 1.500 Kilometer sind am Bürgerhaus geschafftden Wecker beendet wurden, zeigen nun eine gewisse Wirkung. Die als „Wilde 13“ gestartete Truppe gleicht nun einer „Müden 13“ die das Ende herbeisehnt. Gleich hinter Krumbach geht’s los, mal sind es 50, mal 75, mal gut 100 Höhenmeter Steigung am Stück, was mir auf Dauer anstrengender vorkommt als der Schwarzwald. Allein Joel zeigt sich davon völlig unbeeindruckt, unser Bergkönig flitzt ein ums andere mal an uns vorbei und macht am Gipfel Fotos wenn wir mit hängender Zunge oben angekommen. Irgendwann ist der Spuk mit den sieben Bergen vorbei und statt der sieben Zwerge wartet am Zollhaus bei der Lechstaustufe 19 eine Radlertruppe aus Mammendorf auf uns, die uns bis in Ziel begleiten. Sie haben eine reichhaltige Brotzeit mitgebracht und so gestärkt geht’s nun auf die letzten eher flachen Kilometer. Pünktlich um 16:00 Uhr erreichen wir das Bürgerhaus in Mammendorf wo Familienangehörige und Freunde uns einen tollen Empfang bereiten. Wir werden von Bürgermeister
Josef Heckl sehr herzlich begrüßt, es gibt Getränke, Bier und Häppchen und wir Radler versammeln uns im Kreis um die folgende „Beschwörungsformel“ die wir täglich in der Früh vor dem Start gesprochen haben ein letztes Mal aufzusagen:

Wia samma? – Guad samma! – Wia samma? – Guad samma! – Mei san mir guad!

Epilog – oder eine kleine Danksagung

Was bleibt an Eindrücken? Verblüffend war für mich wieder, welchen Unterschied es macht in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Die Perspektiven und damit die Wahrnehmungen am selben Ort sind ganz anders, wenn man, von West nach Ost fährt, statt wie vor 10 Jahren in die Gegenrichtung. Ganz besonders rentiert hat sich die Ausstattung aller Radler mit einer Weste, auf der Start und Ziel unserer Tour abgebildet waren. Daraus ergaben sich unterwegs nette Gespräche, wie: „wo kommt ihr her?“, „wo wollt ihr hin?“, „seid ihr von der Tour de France übriggeblieben?“. Unsere drei Franzosen waren dabei immer wieder als Kommunikatoren und Übersetzer gefragt. Und ein prima Windschutz war die Jacke auch. Ich denke alle Teilnehmer waren am Ziel dankbar und glücklich es ohne Blessuren geschafft zu haben, das ist nach 13 x 1.500 Kilometern nicht selbstverständlich. Ich habe in der Zeit viel Kameradschaft und Hilfsbereitschaft erlebt, dafür an Alle ein herzliches Dankeschön. Besonderer Dank an meine Große Klasse – Volkers BuffetRennradkollegen, die mir viel Windschatten gegeben und mich gut mitkommen haben lassen und an Heiko als professioneller „Vorturner“ bei der täglichen Frühgymnastik. Besonderer Dank auch an Adi für die minutiöse Ausarbeitung des Streckenplans, an Eva für die umfassende Organisation der Reise, an Volker für den Transport der Räder und des Gepäcks und die tollen Brotzeiten und an unsere Freunde aus Brem, die alle Unterkünfte in Frankreich besorgt haben. Ein letzter und ganz besonderer Dank an Eddy Merchx, ehemaliger belgischer Radprofi, dessen Firma mein Rennrad hergestellt hat. Ich hätte vor dieser Tour nie gedacht, dass man derart schlechte Straßen mit einem Rennrad fahren kann. Mein rund 25 Jahre alter „Schleifer“ hat sich als überaus robust erwiesen und „Adis“ Schlagloch und Querfeldeinpisten klaglos und ohne Schaden gemeistert. Zum Schluss: Ich werde immer wieder gefragt: „wie hält man das aus 1.500 Kilometer im Sattel, mir tut der Hintern schon nach zwei Stunden weh“? Nun ein gut trainiertes „Sitzfleisch“ sollte man schon haben, außerdem gut eincremen und die Radlerhosen immer wieder wechseln, denn jede hat irgendwo anderes eine Druckstelle, die auf Dauer Probleme bereiten könnte.

Bericht: Werner Zauser

Mittagspause
 So eine weite Reise macht hungrig…

 Trinken

und durstig…

 Pause

verlangt ein Päuschen…

 img 3422 dominiqueund eine Auszeit

 

 

 

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